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25. November 2016 – Pflichtteile reduzieren – was muss man beim Testament und Schenkung beachten?

Denkt man über ein Testament nach, ist der Auslöser oft, dass ein Pflichtteilsberechtigter möglichst wenig vom Erbe abbekommt. Da aber die Voraussetzungen für einen Pflichtteilsentzug im Regelfall nicht vorliegen werden, und auch ein Vermächtnis nicht unbedingt zur Verringerung von Pflichtteilsansprüchen taugt, drängt sich der Gedanke an Schenkungen auf.

Die Schenkung verringert zwar nicht die Pflichtteilsquote, schmälert aber die  Erbmasse, aus der der Pflichtteil errechnet wird

Schenkungen verringern die Erbmasse

Um die Erbmasse gering zu halten und damit auch möglichst kleine Pflichtteile zu erreichen, ist es in der Praxis ein übliches Modell, dass der Erblasser schon zu Lebzeiten große Teile seines Vermögens verschenkt.

Aber:

Die Schenkung führt aber nicht immer zur Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen. Wenn etwas verschenkt wurde, ist es nicht sofort dem Zugriff des Pflichtteilberechtigten entzogen:

Pflichtteilsergänzungsanspruch innerhalb der ersten 10 Jahre

Grundsätzlich hat ein Pflichtteilsberechtigter nämlich einen Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn der Erblasser etwas vor seinem Tod verschenkt, § 2325 Abs. 1 BGB. Dieser Ergänzungsanspruch berechnet sich dann aus dem Wert des verschenkten Gegenstandes.

Neben dem Pflichtteilsanspruch aus dem durch Schenkung verringertem Nachlass besteht der Pflichtteilsanspruch in gleicher Quote aus der Schenkung.

Nach § 2325 Abs. 3 BGB gilt das aber nur, wenn die Schenkung innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall stattfand. Außerdem wird die Schenkung nur in vollem Umfang berücksichtigt, wenn sie innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall vollzogen wurde. Für jedes weitere Jahr vor dem Erbfall wird sie um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt.

Beispiel: Der Erblasser verschenkt 2011 seinen einzigen Vermögenswert, einen Porsche im Wert von 80.000 Euro an einen Freund. 2016 stirbt er dann. In seinem Testament hat er seinen Sohn enterbt. Da die Schenkung fünf Jahre vor dem Tod des Vaters war, wird der Wert des Porsches noch mit 50 % angesetzt. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch berechnet sich also aus 40.000 Euro.

Achtung: Pflichtteilsergänzungsanspruch gilt auch für Schenkungen des Erblassers vor der Geburt der pflichtteilsberechtigten Kinder oder Enkel

Mit Urteil vom 23. Mai 2012, Az. IV ZR 250/11 hat der  BGH die „Theorie der Doppelberechtigung“ aufgegeben.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch bezieht sich auch daher auf solche Schenkungen, die der Erblasser vor der Geburt von Pflichtteilsberechtigten vorgenommen hat. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch setzt nicht voraus, dass die Pflichtteilsberechtigung sowohl im Zeitpunkt des Erbfalles als auch schon zur Zeit der Schenkung bestanden hat, – früher so genannte Theorie der Doppelberechtigung. Das zeigt auch deutlich, dass es auf einen subjektiven Willen des Erblassers, den Pflichtteilsberechtigten zu schädigen, nicht ankommt.

Keine 10-Jahresfrist bei Ehegatten

Aber Achtung bei Ehegatten: Die 10 Jahresfrist beginnt dann nicht zu laufen, wenn der Erblasser seinen Ehepartner beschenkt. Hier regelt § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB, dass die Frist erst dann beginnt, wenn die Ehe aufgelöst wird. Dies kann durch Scheidung, oder den Tod eines Ehepartners passieren.

Hat im obigen Beispiel also der Erblasser den Porsche nicht an einen Freund, sondern an seine Ehefrau verschenkt und stirbt vor ihr, dann wird der volle Wert des Autos zur Pflichtteilsberechnung herangezogen. Die 10-Jahres-Frist hat zum maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem Versterben des Mannes, noch gar nicht begonnen.

Achtung: Keine 10-Jahresfrist auch für Nießbrauch, Wohnungsrecht und Rückforderungsrecht

Bei dem in Deutschland üblichen Modell der so genannten „vorweggenommenen Erbfolge“, bei welchem der Erblasser sein Grundstück bereits zu Lebzeiten und nicht erst mit dem Erbfall an einen anderen weitergibt, kann es ebenfalls dazu kommen, dass die Frist nicht zu laufen beginnt und damit die Schenkung voll berücksichtigt wird.

Nießbrauch

Wenn der Erblasser die Immobilie nach wie vor selbst nutzen möchte, lässt er sich einen Nießbrauch einräumen.

Auch hier beginnt dann die 10-Jahresfrist erst mit dem Tod des Erblassers zu laufen. Die Gerichte sagen, dass es sich bei der „Schenkung“ schon gar nicht um eine Leistung im Sinne des § 2325 Abs. 3 BGB handelt, da das Grundstück wirtschaftlich noch beim Schenker bleibt.

Das steht nicht im Gesetz, sondern ist Rechtsprechung: BGH Urteil vom 27.04.1994, Az.: IV ZR 132/93.

Es ist deshalb egal, ob der Erblasser das Grundstück ein, zehn oder zwanzig Jahre vor seinem Tod verschenkt hat. Der Wert des Grundstücks wird immer in gleichem Maß berücksichtigt.

Wohnrecht

Die gleichen Grundsätze sollen auch dann gelten, wenn sich der Erblasser ein Wohnrecht vorbehält. Hat er jedoch lediglich ein Wohnrecht an einem Teil des Grundstücks, so gilt das Grundstück als geleistet und die Frist beginnt zu laufen: OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.01.2008, Az.: 12 U 123/07, und jetzt auch BGH – Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 474/15.

Durch Vormerkung gesichertes Rückforderungsrecht

Schließlich lässt auch ein durch eine Vormerkung gesichertes Rückforderungsrecht des Schenkers die Frist nicht beginnen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Erblasser zum freien Widerruf der Schenkung berechtigt ist, da er dann noch immer einen unmittelbaren Zugriff auf das Grundstück hat (Weidlich in Palandt, § 2325, Rn. 28; OLG Düsseldorf – das soll sogar gelten, wenn der Widerruf nicht frei möglich ist, sondern auf Tatbestände außerhalb des Einflussbereichs des Schenkers zurückgeht, Urteil vom 22.02.2008, Az.: I 7 U 140/07).

Wie genau sich dann der Wert des Grundstücks bestimmt, aus welchem man dann die Pflichtteile berechnet, Lesen Sie im vorhergehenden Artikel.

Fazit: Es ist grundsätzlich möglich, die Pflichtteilsansprüche zu reduzieren, indem man bereits zu Lebzeiten sein Vermögen an die Personen verschenkt, denen man es eigentlich nach dem Tod zukommen lassen will. Dabei muss man aber beachten, dass dies nicht funktioniert, wenn man den Ehepartner beschenkt, oder wenn man sich den Nießbrauch bzw. ein Wohnrecht vorbehält.

Lassen Sie sich auch bei Planung der vorweggenommenen Erbfolge beraten! Ihr Ansprechpartner im Erbrecht:

Rechtsanwalt Alexander Grundmann, LL.M., Leipzig

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