Sozialhilfe / Hartz IV

Erbrecht und Sozialhilfe/Hartz IV – Was ist zu beachten?

Erbrecht und Sozialrecht haben auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun. Aber da es in beiden Fällen häufig um Geld geht, ist auch im Erbrecht zu fragen, ob Sozialrecht betroffen ist, sei es bei der Testamentsgestaltung oder bei der Abwicklung eines Nachlasses.

Gibt es Familienmitglieder, die Sozialhilfe oder Hartz IV oder andere Sozialleistungen empfangen, werden die Regelungen des Erbrechts durch Vorschriften des Sozialrechts ergänzt. Das Sozialrecht kann dann für böse Überraschungen im Erbfall sorgen.

Wird ein sozialhilfebeziehender naher Angehöriger einfach enterbt, damit nicht der Staat erbt, kann das dazu führen, dass der dadurch entstehende Pflichtteilsanspruch auf den Sozialhilfeträger übergeht. Das Ziel der Nachfolgeplanung wäre verfehlt.

Auch im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge durch lebzeitige Schenkungen sollte man das Sozialrecht im Blick behalten (Stichwort: Sozialhilferegress). Da es hier häufig um die Rückforderungen von Schenkungen wegen Verarmung des Schenkers innerhalb von 10 Jahren geht, hilft hier vor allem eine langfristige Planung.

Eine weitere Konstellation, in der im Erbrecht Sozialrecht zu beachten ist, ist der Tod eines sozialhilfeberechtigten Erblassers. In dieser Konstellation des Sozialhilferegresses werden die Erben für Leistungen an den Erben nach den Grundsätzen der selbständigen Erbenhaftung in Anspruch genommen.

Erbrechtliche Beratung durch Rechtsanwalt:

  • Vermeidung von Sozialhilferegress und Rückgriff auf Schenkungen durch Sozialhilfeträger
  • Behindertentestamente/Bedürftigentestamente
  • Berücksichtigung sozialhilfeberechtigter Erben bei der Nachfolgeplanung

Häufige Fragen zu Erbrecht, Schenkungen und Sozialleistungen

Was passiert, wenn ich meinen Kindern Vermögen schenke und später selbst Sozialleistungen beziehen muss?

Neben der testamentarischen Übertragung von Vermögen spielt auch die  „vorweggenommene Erbfolge“ eine wichtige Rolle in der Nachlassplanung, z. B. wenn ein Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung schon zu Lebzeiten an ein Kind übertragen wird.

Dann stellt sich die Frage, was passiert, wenn der Übertragende später selbst Leistungen beziehen muss, z. B. wegen Pflegebedürftigkeit?

Hier müssen Sie unterscheiden. War die Übertragung eine Schenkung, kann der Schenkende nach § 528 BGB die Schenkung bei Verarmung zurückfordern. Dieser Anspruch kann von den Sozialämtern „übergeleitet“ und im eigenen Namen gegen den Beschenkten geltend gemacht werden (Sozialhilferegress). Die Rückforderung ist nur innerhalb der ersten 10 Jahre nach Schenkung zulässig. Das bedeutet: Auch der Sozialhilfeträger kann nur bei Schenkungen, die nicht länger als 10 Jahre zurückliegen, zurgreifen.

Wurde z. B. das Haus – zu einem realistischen Wert – verkauft, ist es keine Schenkung. Die Rückforderung und damit eine Überleitung geht nicht.

Bei einem solchen Verkauf können Nutzungsrechte (Nießbrauch, Wohnrecht), die der Verkäufer behält, den Wert der Immobilie und damit den notwendigen Kaufpreis senken. Hier lauern allerdings einige Fallstricke. Gute rechtliche Beratung ist dabei wichtig.

Wird z. B. ein Hausgrundstück weit unter dem Verkehrswert übertragen, ist das rechtlich eine „gemischte Schenkung“.  Die Rückforderung bezieht sich dann auf den Schenkungsteil.

Der Sozialhilferegress wird wohl – wegen steigender Pflegekosten einerseits und sinkender Renten andererseits – stark zunehmen. Deshalb sollten Sie Schenkungen von langer Hand planen und dabei auch rechtlich durchdenken.

Welche Auswirkungen hat die Sozialhilfe auf die Testamentsgestaltung ?

Die meisten, die ein Testament haben, errichten dieses als Berliner Testament. Kurz gesagt bedeutet das im Regelfall, die Eheleute setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein und der überlebende Ehegatte wird zum Schluss vom gemeinsamen Kind oder den gemeinsamen Kindern beerbt.

Die – im Ansatz auf jeden Fall vernünftige – Überlegung der Eheleute ist meist: Wir haben uns unser Vermögen gemeinsam erarbeitet. Deswegen soll das eheliche Vermögen – meist ein Grundstück mit einem Einfamilienhaus – im ersten Erbfall auch auf der Elternebene bleiben. Die Kinder bekommen ja zum Schluss alles.

Diese Überlegung ist richtig, wird aber im Ergebnis in Zukunft immer häufiger zur Enterbung der Kinder führen.

Die Kinder gehen – wenn Sie auch keinen Pflichtteil geltend machen – beim ersten Erbfall wegen der Enterbung leer aus. Aber auch beim zweiten Erbfall werden die Kinder häufig nichts mehr bekommen, weil hohe Heimkosten das Vermögen der Eltern aufzehren und Sozialhilfe erst nachrangig gewährt wird.

Das bedeutet: Überlegen Sie, ob es in Ihrer Familienkonstellation nicht sinnvoll sein kann, die Kinder schon beim ersten Erbfall zu bedenken oder sogar schon zu Lebzeiten durch Schenkungen.

Kann ein Verwandter, der Sozialhilfe oder Hartz IV bezieht, überhaupt erben?

Auch ein Bezieher von Sozialhilfe oder Hartz IV kann ohne Einschränkungen Erbe werden. Der Erbe muss die Erbschaft aber unverzüglich beim Amt anzeigen.
 Allerdings wird die Behörde die Zahlungen Sozialhilfe oder Hartz IV einstellen, da durch die Erbschaft die Bedürftigkeit entfällt. Das Erbe gilt nicht als Vermögen (mit entsprechenden Freibeträgen), sondern als Einkommen.

Erbschaft als Einnahme nach SGB II

Erbt ein Bezieher von Sozialleistungen, hat er ein Einkommen, das auf die Sozialleistungen anzurechnen ist. Die Sozialleistungen können entfallen, weil ein Anspruch auf Sozialleistungen nur bei Hilfebedürftigkeit besteht.
Dazu das Landessozialgericht – LSG Sachsen-Anhalt vom 27.10.2015:

  1. Tritt bei laufendem Bezug von Leistungen nach SGB II ein Erbfall ein, ist das Erbe Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II. Das ist auch ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt: Urteil v. 29. April 2015, B 14 AS 10/14 R)
  2. Gehört zur Erbmasse ein werthaltiges und veräußerungsfähiges Kfz, hat der SGB II-Leistungsbezieher dieses Einkommen zu verwerten, um seinen Bedarf zu sichern. Solange dies nicht erfolgt und das Kfz weiterhin vorhanden ist, fehlt es an der Hilfebedürftigkeit und es gibt keine Leistungen.

Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 27.10.2015, Aktenzeichen L 4 AS 652/15 B

Hinsichtlich des Wertes des Erbes findet eine Aufteilung, z. B. auf ein Jahr statt. Der Hilfeempfänger wird also so behandelt, als hätte er regelmäßiges Einkommen.
Ist die Erbschaft verbraucht, kann er wieder neu Sozialhilfe oder Hartz IV beantragen. Bei der Neu-Bewilligung wird geprüft, ob der Erbe den Nachlass leichtfertig verschleudert hat.
Ein geerbtes Hausgrundstück ist ebenfalls kein „Schonvermögen“, sondern muss im Normalfall verwertet werden. Die Verwertung kann auch das Selbstbewohnen, die Vermietung oder die Belastung mit einer Grundschuld bedeuten.

Ist es daher sinnvoll, den Bezieher von Sozialhilfe oder Hartz IV zu enterben?

Das kommt darauf an. Ist der Bezieher von Sozialhilfe oder Hartz IV Pflichtteilsberechtigter, kann der Sozialhilfeträger auf den Pflichtteilsanspruch zugreifen.

Was ist mit einem Pflichtteil oder Vermächtnis?

Grundsätzlich gilt, dass niemand verpflichtet ist, Ansprüche auf Pflichtteil oder Vermächtnis geltend zu machen. (Das gilt, nach neuerer Rechtssprechung, auch für den Schuldner in der Privatinsolvenz!)

Allerdings kann jeder Gläubiger den Anspruch auf ein Vermächtnis pfänden und selbst geltend machen. Zudem hat die Sozialbehörde ein „Sonderrecht“ im Hinblick auf Pflichtteilsansprüche:

Hier ist eine sog. „Überleitung“ nach § 93 SGB XII (bzw. ein automatischer Übergang) möglich, so dass der Anspruch auf den Pflichtteil von der Behörde auch gegen den Willen des Enterbten geltend gemacht werden kann.

Vorbeugen kann man hier durch einen Pflichtteilsverzicht zu Lebzeiten, wobei hier z. T. die Meinung vertreten wird, dass ein solcher Verzicht dann sittenwidrig sei, wenn der Verzichtende schon bei der Verzichtserklärung dauerhaft sozialhilfebedürftig ist.

Die Einzelheiten bei Erbrecht und Sozialhilfe/Hartz IV sind sehr umstritten. Details hier:

Haftung von Erben von Sozialhilfebeziehern oder verstorbenen Jobcenter-Kunden

Achtung: Erben von Sozialhilfebeziehern können mit dem Nachlass haften, wenn es Schonvermögen gab.

Die Erben eines Sozialhilfeempfängers sind zum Ersatz der in den 10 Jahren vor dem Erbfall geleisteten Sozialhilfe verpflichtet. Das wäre eine Nachlassverbindlichkeit, wie z. B. Schulden des Erblassers. Da die Haftung für Sozialhilfe aber auf die Höhe des Nachlasses beschränkt ist, ist eine Ausschlagung nicht so zwingend, wie bei sonstigen Schulden.

Details hier.

Für Erben von verstorbenen Jobcenter-Kunden wurde die Haftung zum 1. August 2016 aufgehoben.

Wir helfen Ihnen, die Forderungen von Sozialhilfebehörden im Erbrecht zu prüfen und vertreten Ihre Interessen. Vereinbaren Sie einen Termin zur Erstberatung!

Ihr Rechtsanwalt Alexander Grundmann

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